Seiten

Samstag, 27. Mai 2017

Chinas big brother schaut auf deine Daten

Kürzlich habe ich im Deutschlandfunk einen Beitritt gehört, der sich mit dem neuen chinesischen Social Credit System beschäftigt. Im Grundsatz geht es darum, die wirtschaftliche und gesellschaftliche Vertrauenswürdigkeit von Personen mit einem einheitlichen Bewertungssystem zu erfassen und davon abhängig den Zugang zu Privilegien wie Krediten, aber auch Flugtickets und ähnlichem zu regeln. Erfasst werden dabei insbesondere auch Aktivitäten in sozialen Netzwerken und auf Online-Plattformen, auch Kaufgewohnheiten, Aktivitätsmuster und ähnliches. Die offizielle Begründung des chinesischen Staates ziel stark auf ein funktionierendes System, um die Kreditwürdigkeit von Personen festzustellen. Ein System ähnlich dem deutschen, wo die Schufa diese Funktion übernimmt, gibt es bislang noch nicht. Aber eigentlich sind sich alle Kommentatoren einig, dass die Ambitionen des Staates weit über diesen wirtschaftlichen Aspekt hinausgehen. Und jetzt schlagen die Wellen der Diskussion tatsächlich etwas höher. Auch in deutschen Medien ist die Diskussion angekommen, ganz zu schweigen von der angelsächsischen Welt.

Der Economist hatte im Dezember letzten Jahres hierzu einem langen und sehr lesenswerten Artikel veröffentlicht. Er zeigte sich noch unsicher, ob es die technischen Hürden, die in der Tat enorm sind, wirklich überwunden werden können. Auch verwies er darauf, dass die Parteiführung ein erstaunlich offene Diskussion um das Social Credit System zuließ. Und in Deutschland taucht ein Artikel zu diesem Thema mindestens schon ein Jahr früher auf. Die Blogplattform Netzpolitik z.b. beschrieb 2015, wie einerseits regierungsseitig auf das neue System hingearbeitet wird, andererseits auch die großen chinesischen Technologiekonzerne bereits mit ihrem Ratingsystemen entscheidende technische Vorarbeiten geleistet haben. Den schönsten Beitrag aber fand ich einen langen Artikel in der Süddeutschen (deutsch nur kostenpflichtig erhältlich, aber hier auf englisch) vor zwei bis drei Wochen, in dem Kai Strittmatter ausführlich über eine Reise in die chinesische Provinz berichtet, wo das Social Credit System bereits Wirklichkeit geworden ist.

Dreierlei Aspekte finde ich an dieser Entwicklung besonders interessant:

Wird es der chinesischen Regierung gelingen, die technischen Herausforderungen zu meistern? Schon andere Regime sind an der schieren Datenmenge eines allumfassenden Überwachungssystems gescheitert, da haben wir Deutschen auch unsere Erfahrung mit gesammelt. Technologisch zumindest scheinen die Chinesen kräftig aufzurüsten. Es wird erheblich in Forschungskapazitäten zur künstlichen Intelligenz investiert, und bei den Supercomputern legen die Chinesen auch ganz vorne. Das passiert natürlich nicht alles nur, um das Social Credit System aufzubauen. Aber hilfreich kann es sicher sein.

Wird es den Chinesen gelingen, ein in sich abgeschlossenes System aufzubauen? Nur dann kann ein solches Credit System wirklich funktionieren, weil nur dann alle relevanten Aktivitäten und Informationen wirklich getrackt werden. Moment bemüht sich auch hier die chinesische Regierung, z.B. durch den Ausbau der sogenannten Great Firewall oder durch eine Art chinesisches Wikipedia, alles unter Kontrolle zu bekommen. Und sie scheint mit diesem Ansatz in anderen Ländern durchaus Nachahmer zu finden.

Angesichts des Rückzugs der Vereinigten Staaten von der Weltbühne fragt sich, ob China hier stärkeres Gewicht bekommt und sein Rollenmodell der digitalen Steuerung durchsetzt. Wird der chinesische Weg zum Vorbild für andere Länder? Die Diskussion läuft, wie diese interessante Diskussion der China-Plattform chinafile zeigt. aber die Ausstrahlungswirkung hängt natürlich stark davon ab, ob dieses Modell der digitalen top-down Steuerung einer Gesellschaft auch funktioniert. Letztendlich sind das vielleicht auch Größenphantasien, die sich in der Realität als nicht umsetzbar erweisen. Der gescheiterte Ansatz des Kommunismus, Planung in alle Aspekte des Lebens zubringen, durch die digitale Revolution nun doch verwirklicht?

Das alles ist ein riesiges Experiment, dessen Ausgang auch unsere Zukunft beeinflussen wird. Nur wir selbst haben herzlich wenig Einfluss darauf.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen